Autarkie

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Autarkie

ist die wirtschaftliche Unabhängigkeit eines Privathaushalts, einer Region oder eines Staates durch die vollständige oder teilweise Selbstversorgung mit Gütern und Dienstleistungen.

Etymologie

Rein sprachlich ist der allgemeine Begriff Autarkie entlehnt von altgriechisch autárkeia (αὐτάρκεια), dichterisch autarkía (αὐταρκία), sowie autárkēs (αὐτάρκης) „sich selbst genügend, ausreichende Mittel besitzend, unabhängig“, autós (αὐτός) „selbst, eigen“ und arké͞in (ἀρκεῖν) „abwehren, helfen, genügen, ausreichen“.

Zum einen wird die Autarkie als jener Zustand bezeichnet, in dem zum Beispiel der Mensch „sich selbst genügt“, also keines anderen Menschen mehr bedarf und von allen äußeren Gütern unabhängig ist. Zum anderen, diese Verwendung wird Aristoteles zugeschrieben, bezeichnet die Autarkie schlicht ein „genügendes Auskommen“ des Menschen. In diesem Zusammenhang wird der Begriff auch konnotativ mit „zufrieden“ oder „sicher“ gleichgesetzt.

Das Adjektiv autark bedeutet, „auf niemandes Unterstützung oder Weisung angewiesen“ zu sein. Es kann unter anderem Personen, Organisationen oder Abteilungen in Unternehmen beschreiben, die eigenverantwortlich und selbst bestimmt handeln können, und findet Anwendung in der Biologie, in der Informatik, der Ökologie, der Psychologie und der Politik. Speziell bei Regionen und Ländern tritt der Aspekt wirtschaftlicher Unabhängigkeit in den Vordergrund.

In der heutigen Sprachverwendung wird der Begriff der Autarkie primär im wirtschaftlichen Kontext gebraucht und bringt dabei zumeist die materielle und ökonomische Unabhängigkeit eines Einzelnen, einer Gruppe oder eines Staates zum Ausdruck. Wirtschaftlich vollständig autark wäre ein Land, das alles selbst besitzt oder erzeugt, was es benötigt, oder das seinen Bedarf auf das beschränkt, was es selbst erzeugt. Unter diesen Aspekten beschreibt Autarkie einen Zustand der Selbstversorgung, in dem ein Land nicht mehr auf die Einfuhr oder die Ausfuhr von Waren angewiesen ist sowie auf sämtliche auswärtige finanzielle Transaktionen verzichten kann, in diesem Sinne also vollständige wirtschaftliche Selbständigkeit erlangt hat.

Synonyme für autark sind: unabhängig, souverän, eigenständig, frei, selbständig, autonom, ungebunden.

Messung

Die Selbstversorgung mit bestimmten Produkten kann durch den Selbstversorgungsgrad gemessen werden. Diese volkswirtschaftliche Kennzahl stellt in einem Staat die Bruttoeigenerzeugung dem Verbrauch gegenüber. Bei Agrarprodukten spielt der Selbstversorgungsgrad eine große Rolle, weil diese das Grundbedürfnis auf Nahrung befriedigen, das nach Möglichkeit nicht durch Importe gedeckt werden soll. Er zeigt an, inwieweit das Ziel der Versorgungssicherheit erreicht ist. Allerdings weisen einige Agrarprodukte in vielen Industriestaaten einen Selbstversorgungsgrad von 100 % oder mehr auf. Hier besteht partielle Autarkie durch Selbstversorgung (Subsistenzwirtschaft). Mit dem Selbstversorgungsgrad ist der Agrarprotektionismus eng verbunden. Dieser hat auch zum Ziel, die Autarkie zu stärken.

Geschichte

Bereits im antiken Griechenland war die Autarkie ein zentraler Aspekt des politischen Denkens und nahe an den Bereichen der Politik und der Ökonomie angesiedelt. Herodot beschrieb das Wesen der Autarkie als ein „politisches Ideal“. Nach ihm solle das Territorium einer Polis vor allem im landwirtschaftlichen Bezug so ertragsreich sein, dass alle Bewohner eines Landes mit ausreichenden Gütern unabhängig versorgt und damit ernährt werden können. Für Aristoteles beruhte das gesamte politische System der Polis auf der Aufrechterhaltung der Autarkie, durch die ein Gemeinwesen erst möglich sein könne. Allerdings waren sich schon Herodot und Aristoteles darüber bewusst, dass vollständige Autarkie praktisch kaum zu realisieren ist und oft mit verschiedenen Einschränkungen einhergeht. Deshalb betonten beide Philosophen, dass sich Menschen mit dem zufriedengeben sollten, was sie erreichen können. Ziel müsse es stets sein, eine höchst mögliche wirtschaftliche Unabhängigkeit anzustreben. Gelinge das nicht, so führe dies zum Verlust der lokalen Selbstverwaltung und somit unweigerlich in eine Fremdherrschaft. Bei Platon ist die Autarkie ein Kennzeichnen des höchsten Wertes und das Hauptziel des idealen Staates. Der Mensch ist nach platonischer Ansicht nicht autark, kann aber indirekt zu einer gewissen Autarkie gelangen. Der eine Weg besteht darin, dass sich die einzelnen Menschen zur politischen Gemeinschaft zusammenschließen. Der andere Weg verlangt, dass der Mensch innerlich unabhängig wird von äußeren Lebensumständen, was nahezu unmöglich ist.

Im Gegensatz zur dominierenden Selbstversorgung im antiken Griechenland, prägte die florierende Wirtschaft im Römischen Reich und der damit verbundene Wohlstand ein bestens vernetzter Land- und Seehandel. Max Weber wie auch Hans Delbrück führten den Untergang Roms maßgeblich auf einen Rückfall in die autarke Naturalwirtschaft zurück. Ausgelöst durch die Bildung römisch-katholischer Gemeinden, entstanden Güter, Sprengel, später ganze Kirchenprovinzen, die zunehmend den Charakter eines autarken Herrschaftsgebildes annahmen. So war die monastische Autarkie unter anderem in Form eines Klostergartens bereits im 6. Jahrhundert in den Regula Benedicti fest vorgegeben. Letztlich führte die gezielt herbeigeführte Herauslösung aus der städtischen Wirtschaft und die Entkoppelung vom transnationalen Handel Schritt für Schritt in eine Autarkie, die zur Grundlage des mittelalterlichen Feudalsystems wurde. Armut, Bescheidenheit, Buße und Predigt waren die wesentlichen Elemente dieser Zeit. Das von der Kirche propagierte Armutsideal verbot fremde Einkünfte, so dass die Bevölkerung auf möglichst autarke eigene Höfe angewiesen war. Erst ab dem 13. Jahrhundert verloren die weitgehend autarken Grundherrschaften ihre vorherrschende Stellung, der städtische Markt und der länderübergreifende Handel mit seiner Geldwirtschaft begann in Europa das ökonomische Leben zu dominieren.

Eine nahezu vollständige Autarkie, verbunden mit gezieltem Isolationismus, starker Prosperität sowie hohem Lebensstandard und Bevölkerungswachstum, zeigt die Wirtschaftsgeschichte der Qing-Dynastie in China von etwa 1644 bis 1839 auf. Adam Smith bezeichnete 1776 in seinem Hauptwerk Der Wohlstand der Nationen China als eines der „reichsten, fruchtbarsten, gewerbefleißigsten, kultiviertesten und wohlhabendsten Länder“ der Erde. Als Vorteil nannte er die Größe des Landes, seine Bodenschätze, vor allem aber den erfolgreich praktizierten chinesischen Binnenhandel. Dieser bewahre Menschen vor Hungersnöten und sei „das beste Mittel zur Milderung einer Verknappung und Teuerung unter den verschiedenen Provinzen eines Landes“. Da aber nicht jeder Staat über ähnliche Voraussetzungen verfügt, kam Smith zu dem Ergebnis, dass mittels Freihandel der „Mangel in dem einen Land durch den Überfluss in dem anderen“ leicht ausgeglichen werden könne. Dabei solle der betroffene Wirtschaftsraum seine Einfuhren auf Waren beschränken, die er selbst nicht herstellen oder produzieren kann. Adam Smith zeigte sich davon überzeugt, dass Freihandel nicht nur zu größerem Wohlstand führt, sondern auch das „Band der Freundschaft“ zwischen den Staaten herstellt.

Die Autarkie bezeichnete Adam Smith als eine Art von „Schutz gegenüber dem internationalen Handel“. In Verbindung mit dieser Aussage definierten britische Nationalökonomen später, dass „eine Wirtschaftspolitik der Autarkie darauf abziele, ein Land daran zu hindern, internationalen Handel zu betreiben“.[16] Diese Definition ist umstritten, da insbesondere die britische Wirtschaftsgeschichte nicht selten einen „einseitigen Freihandel“ aufweist. So versuchte das Vereinigte Königreich wiederholt das Britische Weltreich gegenüber dem Rest der Welt durch Schutzzölle oder geschlossene „Freihandelszonen“ abzuschirmen. Desgleichen bezeichnete Mahatma Gandhi den britischen Freihandel als einseitig, da er andere Länder in die Abhängigkeit britischer Exporte zwinge.[18] Tatsächlich blieben einige Ex-Kolonien des Folgekonstrukts Commonwealth of Nations bis weit in die 1970er Jahre hinein in erster Linie von Großbritannien abhängig.[19] Und auch heute verfolgen offizielle britische Regierungsvertreter im Zusammenhang mit dem Brexit die Vision eines „globalen Großbritanniens“ nebst geschlossener Freihandelszonen.

Ebenso beteiligen sich die Vereinigten Staaten seit der Präsidentschaft von Donald Trump nicht an der Fortentwicklung des Freihandelssystems, sie schließen keine Freihandelsabkommen und bemühen sich zudem um die Beendigung beziehungsweise Rückabwicklung getroffener multilateraler Vereinbarungen. Damit verfolgen die USA nach Ansicht verschiedener Wirtschaftsexperten eine Abschottungspolitik, verbunden mit dem Streben nach größerer wirtschaftlicher Autarkie, bei der Importe durch Zölle erschwert, jedoch Exporte teilweise erzwungen werden. Dabei sind die Handelskonflikte der USA mit China und der Europäischen Union von einer Lösung weit entfernt, im US-Wahlkampf 2020 sprach sich auch der Trump-Herausforderer Joe Biden für einen radikalen Protektionismus und für eine noch stärkere Abschottung des US-Binnenmarkts aus.

Deutschland

In Deutschland beschäftigten sich Ökonomen und Philosophen ebenfalls sehr früh mit der Autarkietheorie. Den Gedanken der wirtschaftlichen Selbstversorgung vertieften in umfangreichen Werken unter anderem List, Müller, Kant, Fichte, Hegel, Feuerbach, Treitschke, Mommsen, Marx.

Beispielsweise erwartete Immanuel Kant – als Zeitgenosse von Adam Smith – vom Ausbau internationaler Handelsbeziehungen ebenfalls eine Eindämmung des kriegerischen Konfliktverhaltens der Staaten: „Es ist der Handelsgeist, der mit dem Kriege nicht zusammen bestehen kann und der früher oder später sich jedes Volkes bemächtigt.“[28] Allerdings war Kant kein Anhänger eines bedingungslosen Freihandels und betonte:

   „Dem Staat muss das Recht der Verbote der Einfuhr zustehen, damit die Erwerbsmittel dem Untertanen zum Besten und nicht zum Vorteil der Auswärtigen und Aufmunterung des Fleißes anderer befördert werden, weil der Staat, ohne Wohlhabenheit des Volkes, nicht Kräfte genug besitzt, auswärtigen Feinden zu widerstehen und sich selbst als gemeines Wesen so nicht erhalten kann.“

Sinngemäß führte er in seinen Ausführungen Zum ewigen Frieden (1795) fort, dass der Staat zur Sicherung der Freiheit und Selbständigkeit seiner Bürger gestaltend in die wirtschaftliche Entwicklung eingreifen müsse. Dazu gehören, laut Kant, Maßnahmen, die geeignet sind, die technologische, organisatorische und wissenschaftliche Kompetenz eines Landes zu heben. So könne bei einem Entwicklungsdefizit die temporäre Abschottung des Binnenmarktes von Produkten aus dem Ausland zwingend erforderlich sein.

In seiner im Jahr 1800 publizierten Schrift Der geschlossene Handelsstaat entwarf Johann Gottlieb Fichte die Grundzüge eines autarken Nationalstaates. Grundlagen dieses Staates sind die Freiheit durch Vernunft sowie die wirtschaftliche und politische Autarkie. Den internationalen Handel beurteilte Fichte kritisch, da die Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen der verschiedenen Nationen zu einem „allgemeinen geheimen Handelskrieg“ führen. Dazu hielt er fest:

   „Die wahre Ursache von Kriegen liegt im streitenden Handelsinteresse der Nationen. Es entsteht ein endloser Krieg aller im handelnden Publikum gegen alle, als Krieg zwischen Käufern und Verkäufern. Und dieser Krieg wird heftiger, ungerechter und in seinen Folgen gefährlicher, je mehr die Welt sich bevölkert. Die Produktion und die Künste [gemeint ist damit der technische Fortschritt] steigen und dadurch die in Umlauf kommende Ware an Menge und mit ihr das Bedürfnis aller sich vermehrt und vervielfältigt.“

Als Gegenmittel empfahl Fichte den geschlossenen Handelsstaat, dessen Regierung die eigene Nation gegen alle Einflüsse von außen abschirmt und mit einem vernünftigen Gleichmaß sowie mit strenger Gerechtigkeit herrscht. Unumgängliche Grundlage dieses Staates müsse die Fähigkeit zur Autarkie sein. Obwohl Fichtes Handelssystem eine gewisse Nähe zu sozialistischen Staatsutopien nicht abgesprochen werden kann, bleibt für ihn das private Eigentum unantastbar. Dieses private Eigentum begreift Fichte als existentielle Basis individueller Existenz, da ohne Eigentum keine Freiheit möglich sei. Außerdem muss bei seinen Überlegungen unbedingt berücksichtigt werden, dass Fichte unter Nationalismus keine Ideologie, sondern die Überwindung der deutschen Kleinstaaterei verstand.

Gleichermaßen untersuchte Adam Heinrich Müller, als Hauptvertreter der politischen Romantik, in seinem Werk Die Elemente der Staatskunst (1809) die geistigen Grundlagen von wirtschaftlich entwickelten Nationen, wie diese ihren Reichtum für alle Gesellschaftsschichten nutzbringend anwenden und eine gerechte Weltordnung erzeugen können. Zentral ist dabei seine Kritik am Liberalismus, der dem Gemeinwohl entgegenstehe. Adam Smiths Freihandelskonzept lehnte Müller ab und hob die „kräftigende Wirkung, die eine autarke Wirtschaft auf den Gemeinschaftssinn ausübt“ hervor.

Friedrich List schlug in seinem Hauptwerk Das nationale System der politischen Ökonomie (1841) als Reaktion auf die sich anbahnende britische Freihandelspolitik einen verstärkten Zollschutz junger und noch nicht weltmarkttauglicher Industrien gegenüber der übermächtigen britischen Konkurrenz vor. List war kein Gegner autarker Wirtschaftsformen, jedoch auch kein Feind transnationaler Verflechtungen. Er empfahl eine reichhaltige Mischung wirtschaftspolitischer Maßnahmen, mit denen nachholende Ökonomien ihre Stellung in der Weltwirtschaft optimieren können. Für Deutschland war List außerdem ein Vorkämpfer des 1834 geschaffenen Zollvereins. International einflussreich wurden seine Theorien lange nach seinem Tod für die Wachstumsstrategien von Entwicklungsländern.

Die heftigste Kritik am Freihandel liefert der Marxismus. Er versteht sich auch heute noch als klassische Gegentheorie zur liberalen Lehre und besagt, dass Freihandel abzulehnen ist, weil er die Freiheit des Kapitalverkehrs zur Grundlage hat. Ohne nationale Barrieren für das Kapital trete der Gegensatz zwischen den Klassen noch stärker hervor („gewissenlose Handelsfreiheit“). Zudem verschärfe der Freihandel die nationale und internationale Ungleichheit, was niemals friedensfördernd sein könne.[36] Zur Autarkie analysierte Karl Marx, dass kapitalistische Länder niemals autark sein können, da der Kapitalismus immer auf Expansion angewiesen ist. Deshalb sei „in einer internationalen Produktionsweise jeder Gedanke an das längerfristige Überleben einer autarken Wirtschaftsorganisation ein Hirngespinst“. Infolge dieser Ambivalenz haben kommunistische Bewegungen die Autarkie zu verschiedenen Zeiten als Ziel angenommen oder abgelehnt.