Typen und Eigenschaften
Seile werden anhand einer Reihe von Eigenschaften unterschieden, die für bestimmte Anwendungsfälle mehr oder weniger wünschenswert sind. Diese Eigenschaften werden zum einen durch die verwendeten Materialien, zum anderen durch die Verarbeitung bestimmt. Zunächst einmal zu den wichtigsten Eigenschaften:
Eigenschaften
- Bruchlast
- Die Bruchlast gibt an wieviel ein perfekt befestigtes, senkrecht hängendes, und unbeschädigtes Seil kurzfristig aushält ohne zu zerreißen. In der Realität hält ein Seil niemals so viel aus wie hier angegeben! Die Bruchlast wird normalerweise in Kilogramm [kg], Tonnen [t] (= 1000 kg), Newton [N] (≈ 0,1 kg), Dekanewton [daN] (≈ 1 kg) oder Kilonewton [kN] (≈ 100 kg) angegeben. Dies ist in vielen Fällen die wichtigste Eigenschaft eines Seiles.
- Elastizität
- Es gibt Seile die sich unter Belastung so gut wie gar nicht dehnen (Statisch, Statik-Seile), Seile die sich dehnen und nach der Belastung wieder zusammenziehen (Elastisch) und solche die sich dehnen, aber sich nicht wieder zusammenziehen. Dieser Unterschied wird oft unterschätzt! Für alle Bünde oder ähnliche Knoten sind dehnbare Seile nur schlecht einsetzbar, andererseits ist ein Statikseil nicht zur Personensicherung verwendbar, da es die Energie des Sturzes nicht durch Dehnung aufnehmen kann.
- Steifigkeit
- Je nach Anwendungszweck möchte man eher steife Seile haben (auch Kabel genannt), oder eher weichere. Steife Seile lassen sich leichter werfen, krangeln (also verdrillen) sich nicht so leicht und sind häufig auch nass noch besser zu verwenden. Allerdings lassen sie sich nicht so leicht knoten und benehmen sich, wenn sie krangeln, nicht so gut wie weichere Seile.
- Lebensdauer
- Seile können sich in einem bestimmten Anwendungsgebiet unterschiedlich schnell abnutzen. Dies ist besonders dann sehr wichtig, wenn ein Seil über einen langen Zeitraum hinweg genutzt werden soll. Hierbei spielt, je nach Anwendungsgebiet, neben dem rein mechanischen Abrieb auch Beständigkeit gegen UV-Licht, Chemikalien, Verrottungsfestigkeit und Toleranz gegenüber Sand eine Rolle.
- Umwelteinflüsse
- Manche Seile dehnen sich oder ziehen sich zusammen, wenn sie nass werden, andere reagieren in ihrer Steifigkeit auf die Umgebungstemperatur. Dies ist in den meisten Fällen unerwünscht, kann aber auch gewollt verwendet werden (z.B. bei Bünden mit Seil, das sich zusammenzieht)
- Sonstiges
- Die wichtigsten Eigenschaften sind genannt, in bestimmten Gebieten spielen aber auch noch andere Faktoren eine Rolle. Z.B. ist es in manchen Fällen interessant, ob ein Seil schwimmt oder untergeht, und auch die Farbe kann unter Umständen wichtig sein (z.B. Lawinenschnur, Angelschnur). Erwähnt sei auch noch: Scharfe Kanten sind immer schlecht für Seile. Es gibt allerdings Seile mit höherer und geringerer Kantenfestigkeit.
Materialien
Seile werden aus einer Vielzahl aus verschiedenen Materialien gefertigt, häufig auch gemischt oder in sehr spezialisierten Varianten. Daher kann natürlich nicht jedes mögliche Material aufgezählt werden, aber die folgenden decken sicherlich den größten Teil ab:
- Sisal
- Sisal ist vermutlich das billigste Material aus dem Seile hergestellt werden können. Sisal ist ein Naturfaser, nicht elastisch und schrumpft wenn es feucht wird. Dies (zusammen mit dem Preis) macht es zu einem optimalen Material für Lagerbauten. Sisal bekommt man meist als dünne, nicht verdrillte oder geflochtene Schnur (BayWa oder so), als geflochtene Wäscheleine (Baumarkt), oder als geschlagenes Seil (Spezialgeschäft, seltener).
- Hanf
- Ebenfalls eine Naturfaser ist Hanf, vermutlich eines der ursprünglichsten Materialien für Seile. Wie Sisal und alle anderen Naturmaterialien ist Hanf unbehandelt nicht, und behandelt nur bedingt verrottungsfest, also nicht für ewige Konstruktionen geeignet. Hanf ist ein wenig elastischer und weicher als Sisal, wird meistens als geschlagenes Seil verkauft.
- Spleitex
- Spleitex, oder auch Kunsthanf, ist eine Kunstfaser (Polypropylen), die so verarbeitet wurde, dass sie wie ein Hanfseil aussieht und auch ähnliche Eigenschaften aufweist (allerdings verrottungsfest ist, sich schmelzen lässt und nicht so teuer ist).
- Polypropylen
- Vermutlich eines der am häufigsten verarbeiteten Materialien, verrottungsfest, wenig elastisch, stabil und verhältnismäßig billig. Ist schwimmfähig, aber leider nicht sehr langlebig, und verträgt nicht sehr viel Hitze.
- Polyamid
- Polyamid ist dehnbar, dabei aber nicht elastisch. Es nimmt also durch die Dehnung Energie auf und wird daher als Material für Sicherungsseile verwendet. Dies bedeutet auch, dass sich ein Polyamidseil durch Dehnung "verbraucht"!
- Kevlar, Aramid
- Dehnt sich sehr wenig (statisch), sehr hohe Bruchlast.
- Stahl
- Stahlseile weisen die höchste Bruchlast bei gleichem Querschnitt auf, sind allerdings sehr starr, schwer und mühsam zu verarbeiten. Stahlseile lassen sich nicht knoten, sondern nur mit speziellen Klampen festmachen.
Seilarten
Hanfseil | Statikseil | Polypropylenseil | Dynamikseil (Bergseil) | |
---|---|---|---|---|
Anwendung | Lagerbauten, Abspannungen | Seilbrücken, Seilbahnen, Abseilen | Seilbrücke, Abspannungen | Klettern, Abseilen |
Bruchlast | sehr niedrig | sehr hoch | niedrig | hoch |
Empfindlichkeit | gering | scheuer- und hitzeempfindlich | stark scheuer- und hitzeempfindlich | scheuer- und hitzeempfindlich |
Dehnung | gering | gering | gering | sehr stark |
Quelle & Autor der Tabelle:
Verarbeitung
Die Art und Weise wie ein Material verarbeitet wird, wirkt sich natürlich auch auf die Eigenschaften des Seiles aus. Insbesondere durch die Kombination von Materialen und Verarbeitungsmethoden ergeben sich eine Vielzahl an Möglichkeiten auf die hier nicht näher eingegangen werden kann. Die häufigsten Verarbeitungsarten sind aber:
- Unverdrillt
- Kommt alleine sehr selten vor, die einzelnen Fasern liegen einfach als Bündel vor. So etwas zerfasert natürlich leicht und Knoten lassen sich so gut wie nicht mehr lösen. Im Grunde nur bei dünner Sisal-Schnur...
- Geschlagen
- Die klassische Art ein Seil herzustellen: Faserbündel werden verdrillt und dann umeinander gewickelt. Unterschieden wird noch nach der Anzahl der Faserbündel (3 ist am häufigsten, wird auch 3-Kardeelig genannt) und der Richtung (meist rechts, spielt ausser in Spezialanwendungen keine Rolle).
- Geflochten
- Die Faserbündel bilden einen geflochtenen Strumpf, auch hier wird nach der Anzahl der Faserbündel unterschieden. Je höher die Anzahl an Faserbündeln, umso weniger rund ist das Seil und es entwickelt sich langsam zu einem Schlauch. Geflochtene Seile sind meist weicher und elastischer als geschlagene Seile aus demselben Material.
- Ummantelt
- Dies ist im Grunde eine Kombination eines dicken unverdrillten Faserbündels (Kern) in einem geflochtenen Schlauch (Mantel), häufig aus verschiedenen Materialien. Dies erlaubt es auch die Eigenschaften zu kombinieren, so kann z.B. ein elastisches Seil durch einen Mantel aus statischem Material vor Abrieb und Umwelteinflüssen geschützt werden. Das Kern/Mantel Konzept macht Seile üblicherweise deutlich belastbarer, kantenfester, teurer und allgemein hochwertiger.
- Sonstige
- Selbstverständlich gibt es immer noch Sonderformen die allerdings bei uns seltener auftauchen sollten, z.B. sind die dicken Ankertrossen von Schiffen häufig aus normalen geschlagenen Seilen geflochten.
Autor: Robert L.
Quelle: http://www.schlauesbuch.de