Pikrinsäure

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PIKRINSÄURE

EIGENSCHAFTEN

Pikrinsäure, 2,4,6-Trinitrophenol, Lyddit, Ecrasit, Granatfüllung 88, C6H3N3O7, Mol Gew. 229,1, bildet gelbe Blättchen, die sich etwas in Wasser, leichter in Benzol lösen. Die menschliche Haut und tierisches Gewebe werden von Pikrinsäure intensiv gelb gefärbt. Sie hat einen ausserordentlich bitteren Geschmack und ist giftig. Fp chemisch reiner Pikrinsäure 122°C, spez. Gew. 1,767. Nach Zündung verbrennt Pikrinsäure langsam mit stark russender Flamme. Gegen Reibung, Stoss und Schlag, und auch gegen plötzliche Erwärmung durch eine Flamme ist sie weit weniger empfindlich als Nitroglycerin oder Nitrocellulose.

HERSTELLUNG

Pikrinsäure wird technisch durch Nitrierung von Phenol oder Dinitrophenol hergestellt

1. Aus Phenol

C6H5OH + 2H2SO4à C6H5(OH)(SO2OH)2 + 2H2O

C6H5(OH)(SO2OH)2 + 3HNO3 à C6H2(NO2)3OH + 2H2SO4 + H2O

Zu 64 Teilen Phenol setzt man bei höchstens 90°C unter Rühren 400 Teile einer 20% Schwefeltrioxyd enthaltenden Schwefelsäure zu und erhitzt 5h auf 100°C. Das auf 40-50°C abgekühlte Reaktionsgemisch verdünnt man mit 200 Teilen Schwefelsäure mit Dichte 1,84 kg/dm3 und setzt 80 Teile Salpetersäure zu (Dichte 1,46) dann nochmals 80 Teile von derselben Salpetersäure, und zwar zunächst bei 60°C bis 80°C, schliesslich 100 Teile Salpetersäure bei oberhalb 80°C. Nach dem Erkalten scheidet sich die Pikrinsäure als Kristallmasse ab, die durch Zentrifugieren von der Mutterlauge getrennt, mit warmem Wasser gewaschen und nötigenfalls aus heissem Wasser umkristallisiert wird. Der Reinheitsgrad der so gewonnenen Pikrinsäure ist wesentlich von der Güte des verarbeitenden Phenols abhängig. 100 Teile Phenol, Fp 40°C, liefern 190 Teile Pikrinsäure Fp 121-122°C, entsprechend einer Ausbeute von etwa 78% der Theorie. Diese verhältnismässig niedrige Ausbeute ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, dass ein Teil der Sulfosäure einer weitgehenden Oxydation durch die überschüssige Salpetersäure anheimfällt; ohne einen beträchtlichen Überschuss an Salpetersäure gelingt es jedoch nicht, von niedrigeren Nitrierprodukten freie Pikrinsäure zu erhalten

2. Aus Dinitrophenol:

C6H3(NO2)2OH + HNO3 à C6H2(NO2)3OH + H2O

Dinitrophenol kann aus dem grosstechnisch erzeugten Dinitrochlorbenzol durch Kochen mit wässrigem Alkali gewonnen werden.

Im folgenden Beispiel wird ein feuchtes, ca 90%ig Dinitrophenol verwendet, man kann aber auch von einem 75-80%ig Dinitrophenol ausgehen, in diesem Falle ist die Menge der zum Anmaischen des Dinitrophenols erforderlichen ca 95%igen Schwefelsäure entsprechend zu vergrössern, damit auf jeden Fall am Ende der Nitrierung eine ca 90%ige Restschwefelsäure vorliegt.

1000kg ca 90%iges Dinitrophenol in ca 3600kg 95%ige Schwefelsäure anmaischen, bei 45-50°C unter Rühren und Kühlung 360kg Salpetersäure 100%ig in etwa 2h einlaufen lassen. Falls nach beendetem Salpetersäure-Einlauf die Temperatur nicht von selbst weiter steigt, langsam auf 90°C erhitzen und bei dieser Temperatur 1h nachrühren. Das vorliegende Gemisch besteht aus Pikrinsäure, ca 90%iger Schwefelsäure, überschüssiger Salpetersäure und Nitrose. Es wird unter ständigem Rühren mit heissem Wasser soweit verdünnt, dass die Schwefelsäure einen Gehalt von 55% hat; diese weitgehende Verdünnung ist erforderlich, um eine möglichst vollständige Ausscheidung der in der starken, 90%igen Schwefelsäure gelösten Pikrinsäure zu erreichen. Es findet hierbei eine sehr lebhafte, aber gleichmässige Nitrose-Entbindung statt. Die Temperatur soll auf etwa 125°C steigen, um die rohe Pikrinsäure zum Schmelzen zu bringen. Ist alles Verdünnungswasser zugegeben, so wird unter weiterem Rühren möglichst weitgehend abgekühlt, wobei sich die Pikrinsäure in sehr reiner kristalliner Form abscheidet. Die Pikrinsäure wird von der anhaftenden 95%igen Schwefelsäure abgeschleudert, mit reinem Wasser angemaischt, wiederum geschleudert und in der Zentrifuge mit Wasser gedeckt. Man erhält eine Pikrinsäure mit ca 5% Wasser. Ausbeute ca 1050kg = 94% der Theorie; E.P. etwa 121°C.

VERWENDUNG

Als militärischer Sprengstoff wurde Pikrinsäure im zweiten Weltkrieg im deutschen Heer nur noch begrenzt verwendet, teilweise wurde sie noch zur Herstellung von Pioniermunition (Bohrpatronen und 200g Sprengkörper) und von Übertragungsladungen für grössere Bomben benutzt. Ein Nachteil der Pikrinsäure ist die Neigung zur Bildung stossempfindlicher Pikrate bei Einfüllung in nicht geschützte Metallhülsen. In ihrer früher üblichen Verwendung zu Zündanlagen, detonierenden Zündschnüren und Sprengkapseln wurde sie durch die modernen Sprengstoffe Hexogen und Nitropenta abgelöst. Auf dem zivilen Sektor braucht man Pikrinsäure u. a. zur Herstellung von Schwefelschwarz und zur Hersellung von Pikraminsäure, aus der ebenfalls Farbstoffe hergestellt werden. Verwendung als Mikroskopierfarbstoff.